Behinderung im Golfsport - Christian Nachtwey ⋆ Golftime.de

2023-03-08 16:06:18 By : Mr. Green Lu

Behinderung im Golfsport – Christian Nachtwey. Die Geschichte eines Mannes, den ein Motorradunfall in den Rollstuhl zwang. Und der durch sein Handwerk und die Liebe zum Golfsport eine der größten Errungenschaften für Golfer mit Behinderung erfand …

Menschen, die Dinge aus Holz herstellen, sind in erster Linie Handwerker. Aber viele sind auch Ingenieure, Künstler und einige sogar Wegbereiter für die moderne Welt.

Eines Tages hatte ein deutscher Schreiner den kreativen Weitblick, ein auf einem Rollstuhl basierendes Gefährt zu entwerfen, aus dem später der „ParaGolfer“ werden sollte. Und er baute seine ersten Modelle aus Holz.

Sein Erfindungsreichtum sollte das Leben vieler Menschen verändern, die bis dahin nicht in der Lage waren, zu stehen, zu gehen, geschweige denn einen Schläger zu schwingen.

Seitdem können auch sie sich auf dem Golfplatz austoben, einen neuen Sport erlernen, sich im Wettbewerb messen, sich bewegen, die Natur genießen und neue Freunde finden.

Dieser Handwerker heißt Christian Nachtwey, der mit 34 Jahren eine erfolgreiche Schreinerei in Bodensee besaß. Als er 1997 seine zukunftsweisende Idee hatte, führte er ein Unternehmen mit 30 Mitarbeitern, darunter seine drei Schwestern und auch sein Vater.

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Die Erleuchtung kam ihm, als er sich einen manuellen Rollstuhl ansah, der im Stehen funktionierte. Könnte so ein Ding nicht auch so angepasst und angetrieben werden, dass es einem Golfer helfen würde, einen Schwung durchführen und sich auf dem Golfplatz weitestgehend frei bewegen zu können, fragte er sich? Als Hilfe also im Umgang mit der Situation der Behinderung im Golfsport?

Ein weiterer maßgeblicher Faktor kam hinzu. Christian schaute sich den Rollstuhl genau an, weil er selbst in Folge eines Motorradunfalls von der Hüfte abwärts gelähmt war.

Seine anschließende Rehabilitation und seine Entschlossenheit, positiv zu bleiben, sowie die Kreativität, auf die er während seiner Karriere als Schreiner zurückgreifen konnte, fügten sich wie Puzzlestücke zusammen und führten zu einer zweiten Karriere. Und zu einem lebensverändernden Gefährt, das nicht nur Christian, sondern Hunderten von Menschen mit dem gleichen Schicksal helfen sollte.

Damals, 1997, spielte Christian erst seit drei Jahren Golf. Er gehörte zu den ersten Mitgliedern, die 1994 in den GC Rittergut Rothenberger Haus e.V., aufgenommen wurden. Ein Club übrigens, den er liebt und in dem er immer noch Mitglied ist.

„Eines Tages wollte ich eine Messung auf einem Grundstück vornehmen. Ich fuhr mit dem Motorrad vier Kilometer zum Kunden und hatte nur ein Hemd und eine kurze Hose an. Auf dem Rückweg überhole ich und sehe nicht, dass von der anderen Seite ein Auto kommt. Ich fahre mit 80-90 Stundenkilometern, und es auch …“

Während er im Koma lag, sagt Christian, wurde er zweimal für tot erklärt. „Sie brachten mich zurück und der Priester war da und gab mir die letzte Ölung und all diese Sachen. Es war schwierig, weil meine Aorta gerissen war. Sie mussten also eine Entscheidung treffen: zuerst die Aorta oder zuerst den Rücken operieren? Sie trafen die richtige Entscheidung, aber dann wurde mir klar: Ok, ich kann nicht mehr laufen.“

Die anfängliche Wut wich einer immensen Dankbarkeit gegenüber seiner Familie, vor allem für den selbstlosen Einsatz seiner Frau Bettina. Und einer klaren Einstellung in Christian, dass er im Gegenzug sein Bestes für sie tun musste.

„Gott sei Dank hatte ich meine Frau und sie hat alles getan. Ich war etwa sechs, sieben Monate im Krankenhaus und dann in Reha. Sie hat alles organisiert. Sie ist jeden zweiten Tag 100 Kilometer zum Rehabilitationszentrum gefahren. Das war eine große Sache, die sie da für mich getan hat.“

Christian fügt hinzu: „Ich habe nach vorne geschaut und gesagt: Ok, was kann ich tun? Welche Möglichkeiten habe ich, mein Leben zu Hause aufzubauen. Was kann ich vom Rollstuhl aus tun, um weiterzukommen? Da ich zwei Kinder habe, konnte ich nicht einfach sagen, das war’s und an Selbstmord denken oder so. Das war nie eine Option für mich. Ich musste weitermachen. Ich war 34 und das ist zu jung zum Sterben.“

In den nächsten Jahren gab es Schritt für Schritt enorme Verbesserungen. Christian kann sich an den Stolz erinnern, den er empfand – und der sich in den Gesichtern seiner Kinder widerspiegelte – als er seinen manuellen Rollstuhl zum ersten Mal allein bewegen konnte.

Einer seiner Arme war zerschmettert und musste mit Knochen aus seinem Brustkorb rekonstruiert werden. Es dauerte seine Zeit, bis er lernte, seinen Arm wieder zu benutzen und die nötige Kraft zu finden.

Man sagt, wenn das Leben einen in den Rollstuhl zwingt, kann es gut und gerne zwei Jahre dauern, bis man sich an die Veränderung gewöhnt hat. Nach sechs, sieben Monaten übernahm Christian aber schon wieder die Leitung seines Unternehmens.

„Im ersten Jahr ist man wie ein großes Baby. Man kann nichts machen, und es ist ein großer Schritt, vom Chef eines Unternehmens zum Rollstuhlfahrer zu werden. Im Supermarkt musst du eine alte Dame fragen, ob sie dir eine Flasche Milch aus dem obersten Regal reichen kann.“

Christian erinnert sich, dass man ihm sagte, er solle das Golfen vergessen. „Du kannst mit deiner Frau schwimmen gehen oder was auch immer, aber Golf, das ist unmöglich.

„Aber dann sah ich diesen Stehrollstuhl. Es ist ein normaler Rollstuhl, und ich sehe vor meinem geistigen Auge, dass man damit aufstehen und spielen kann. Also kaufte ich einen alten elektrischen Rollstuhl und nahm den Stehrollstuhl. Ich habe beides zusammengebaut, um zu sehen, wie es funktionieren könnte. Aber es funktionierte zunächst nicht so gut, die Idee jedoch, den elektrischen Rollstuhl mit dem Aufstehgerät zu kombinieren, war geboren.“

Christian begann, die ersten Entwürfe aus Holz zu fertigen. „Ich arbeite mit Holz, das war schon immer meine Leidenschaft. Dann ging ich zu einem Metallschweißer und fragte: Kannst du das für mich aus Metall machen?

Am Anfang wollte ich ihn nur für mich bauen, um ihn auf dem Golfplatz zu benutzen. Aber dann habe ich gesehen, dass es funktionieren könnte.

Er schaffte es, sein Unternehmen noch fünf Jahre lang weiterzuführen, entschied sich aber dann, es zu verkaufen. Glücklicherweise an zwei seiner vertrauten Mitarbeiter, die die anderen Angestellten übernahmen und so die Arbeitsplätze sicherten.

Für Christian wurde die Herstellung des ParaGolfers schnell zum neuen Traum bei der Bewältigung der Behinderung im Golfsport. Er erkannte, dass seine Idee auch vielen anderen Menschen im Rollstuhl helfen könnte, Golf zu spielen oder es zu lernen.

Er begann mit dem Bau eines Prototyps und traf dann den südafrikanischen Golfpro Anthony Netto. Sie tauschten ihre Erfahrungen mit dem Golfspielen im Rollstuhl aus und überlegten, wie sie alle Funktionen verbessern könnten, um das Potenzial als Golfer voll ausschöpfen zu können.

Durch die Ermutigung von Netto begann das neue Projekt, wie Christian sagt, „erwachsen“ zu werden.

Christian verbringt mit seiner Familie jeden Winter in Dénia, an der Ostküste Spaniens zwischen Alicante und Valencia. Sein Haus liegt in der Nähe des Golfplatzes Oliva Nova, wo zwei ParaMotion-Gefährte seines Unternehmens stehen. Die Kunden kommen oft zum Golfplatz, um sie auszuprobieren und sich von Christian beraten zu lassen.

Die Kreativität und die Mühe, die Christian in die Entwicklung seiner zweiten Karriere gesteckt hat, haben sich ausgezahlt. Er war erneut erfolgreich. Zunächst hatte er die ersten 25 ParaGolfer selbst entworfen und gebaut. Danach wurden sie in Partnerschaft mit dem deutschen Orthopädieunternehmen Ottobock gefertigt.

Die Zusammenarbeit endete zwar nach ein paar Jahren, aber Christian erhielt weiterhin Lizenzgebühren für jedes verkaufte Gerät. Auf der Grundlage seines Wissens gründete er ein neues Unternehmen, PowerBaseTec, und stellte in den folgenden Jahren ParaMotion-Modelle her.

Christian schätzt, dass mehr als 1.500 Menschen weltweit von einem der von ihm entworfenen motorisierten Geräte bei ihrer Behinderung im Golfsport profitiert haben. Entweder durch direkten Kauf oder den Verleih in fortschrittlichen Golfanlagen.

Auf der PowerBaseTec-Website gibt es einen Bereich, der für „unsere Helden“ reserviert ist und eine Reihe von Spielern vorstellt, die sich bei Golfturnieren, einschließlich EDGA-Turnieren, ausgezeichnet haben.

Spieler wie der Israeli Shlomo Ivgi, der Brasilianer Evandro Bonocchi, die Deutschen Jens Maspfuhl und Kirsten Bruhn, der Spanier Sebas Lorente, der Schweizer Urs Bucher und der Engländer Phil Meadows äußern sich sehr positiv über die Qualität der Geräte und die Mitarbeiter des Familienunternehmens, die sie in den letzten Jahren unterstützt haben.

Auch die Gründung von PowerBaseTec war eine Familienangelegenheit. Heute sieht sich Christian als Botschafter, während seine Söhne Niclas und Jonas die „Chefs“ sind. In den Anfangsjahren nahm Christian die Jungs zu Turnieren und Messen mit. Was dazu beitrug, dass heute ein inniges Vertrauensverhältnis zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden besteht.

Die Familie half bei der Organisation eines seit langem stattfindenden Turniers auf Mallorca, den Internationalen Offenen Meisterschaften im Rollstuhlgolf, wodurch Niclas und Jonas schon in jungen Jahren ihr Wissen zum Thema Behinderung im Golfsport erweitern konnten.

Christian hat seine zweite Karriere der Aufgabe gewidmet, anderen zu helfen und ihr Potenzial durch Sport zu erreichen. Wie hat er sich nach seinem Unfall selbst helfen können?

Das ist jetzt 23 Jahre her. Eine Zeit, in der man kaum einen Menschen mit einer Behinderung im Fernsehen, in Zeitungen oder Zeitschriften sah. Es war fast so, als ob die Öffentlichkeit sich schämte, Menschen mit Behinderungen zu betrachten.

1997 lebte Christian in einem Dorf mit nur 800 Einwohnern, wo viele den Firmenchef plötzlich anders sahen. „Es war gar nicht so einfach, ihnen klarzumachen, dass ich zwar nicht laufen konnte, aber im Kopf derselbe war. Sie schienen immer zu denken: Ach, ich weiß nicht, nach dem Unfall könnte es sein, dass er auch ein bisschen dumm geworden ist. Das war die erste Erfahrung, als ich aus der Reha zurückkam.

Es war sehr schwierig, weil ich der Einzige in der Stadt war. Ich war der Einzige – ich weiß nicht – in einem Umkreis von 20 Kilometern, der im Rollstuhl saß. Ein exotischer Typ. Ich erinnere mich, dass man in den ersten Monaten immer denkt, dass einen alle anstarren und sagen: Oh, das tut mir aber leid, du sitzt im Rollstuhl.“

Aber allmählich begannen die Leute Christian wieder als Person zu akzeptieren und nicht nur als den Mann im Rollstuhl.

In der Golf-Community ist Christian kaum auf Diskriminierung gestoßen und auch sein Heimatclub war sehr unterstützend, als er die ersten ParaGolfer ausprobierte und verbesserte. Als er „King of the Road“ war, wie er scherzt.

Er sagt: „Ich habe bis heute nie jemanden auf dem Golfplatz getroffen, der gesagt hat, er wolle keine Rollstuhlfahrer. Vor allem nicht in meinem Golfclub, niemals. Aber auch auf allen anderen Golfplätzen der Welt. Niemals.“

Dieses positive Umfeld beflügelte Christian mit seiner Behinderung im Golfsport offensichtlich dazu, sein Talent auf den Fairways und Grüns voll auszuschöpfen. Er gewann sieben Mal die Deutsche Meisterschaft, einen Europameister-Titel und schlug sogar schon einmal Tiger Woods.

Seit 17 Jahren ist Christian Players‘ Captain des Handicapped Golf Club of Germany, der Menschen mit Behinderung im Golfsport vereint. Er fühlt sich in der familiären Atmosphäre seines Clubs sehr wohl und erzählt, wie er kürzlich am 18. Loch spielte.

„Ich hatte einen 20-Meter-Chip bis zur Fahne und ich habe ihn bis auf einen Meter ans Loch gespielt. Es waren 20 oder 30 Leute auf der Terrasse und sie sagten: Oh, habt ihr das gesehen, er war der Deutsche Meister. Das ist so toll.

Es ist schön zu hören, wenn die Leute so reden, voller Respekt, anstatt zu sagen: Oh, er sitzt ja im Rollstuhl. Und ich bin immer offen für sie – ich gehe hin und sage: Hast du meinen Chip gesehen? Der war toll, was? Komm vorbei und wir trinken ein Bier.“

Christian fügt hinzu: „Wenn du offen bist, wenn du positiv bist, sind die Leute offen für dich. Du bist ein Teil des Spiels. Und nach einem Loch interessiert es niemanden mehr, ob du im Rollstuhl spielst oder ob du laufen kannst. Du spielst dein Spiel, das war’s.“

Und Sie haben nicht falsch gelesen, Christian hat tatsächlich einmal Tiger Woods geschlagen. Die beiden waren bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Hamburg anwesend (im Rahmen der Deutsche Bank – SAP Open 2004), bei der ausgewählte Spieler drei Schläge von einem künstlichen Abschlag auf ein schwimmendes Inselgrün schlugen.

Tiger Woods, Justin Rose und Bernhard Langer vertraten die Tour-Profis. Tiger setzte einen Schlag ins Wasser und sein bester Ball lag am Ende etwa zwei Meter von der Fahne entfernt.

„Der Sieger war Bernhard Langer. Bernhard hatte seinen besten Schlag 50 Zentimeter vor die Fahne gesetzt, und ich war mit meinem besten Schlag 1,5 Meter von der Fahne entfernt. Und dann kam Tiger und gratulierte mir. Ich habe ihm die Hand geschüttelt. Es war ein tolles Gefühl, mein größter Sieg.“

Auf die Frage, welchen Rat Christian jemandem geben würde, der gerade ein ähnliches medizinisches Trauma und eine daraus resultierende Behinderung durchgemacht hat, sagt er:

„Es ist schwierig, weil jeder Mensch anders ist. Es ist schwer zu sagen, kommt alle her, ihr müsst nach vorne schauen und euren Weg finden. Ihr könnt auch im Rollstuhl ein gutes Leben führen.

Aber ich kann den Leuten immer sagen, dass es in meinem Fall immer 50 Prozent sind. 50 Prozent ein besseres Leben, ein interessanteres Leben. Aber zu 50 Prozent auch ein ärmeres Leben. Man muss sagen, dass alles fünfmal anstrengender ist, als für einen normal gehenden Menschen. Wenn man mit dem Auto fährt, wenn man in die Badewanne geht, es bedetet alles immer fünfmal mehr Anstrengung. Aber in meinem Fall ist es auch 50 Prozent interessanter. Wegen meiner Behinderung habe ich die Welt gesehen. Wir reisen mit der EDGA um die Welt und spielen Turniere. Man findet überall auf der Welt Freunde.“

Dieser Rat mag praktisch sein, was folgt, ist dabei eher philosophisch. „Öffne deinen Geist. Versuchen Sie, Ihr Leben zu genießen, genießen Sie den Augenblick. Was können Sie in Ihrer Situation erwarten?

Unabhängig von der Behinderung im Golfsport, was können Sie Gutes erwarten, aber halten Sie sich nicht mit den schlechten Dingen auf. Genießen Sie den Moment, wenn die Sonne aufgeht und Sie irgendwo an einem guten Ort sind.

Wenn es warm ist, genieße diese eine Sekunde. Das ist für mich das Wichtigste. Wenn du auch nur kleine Momente findest, in denen du sagst oder fühlst: ‚Das war ein glücklicher Moment.'“

Christian erinnert sich an eine Wette mit einem Freund, bei der es darum ging, Gewicht zu verlieren, und die Belohnung eine Reise nach San Francisco über New York sein würde.

In Kalifornien angekommen, lebten die beiden Freunde ihren Traum: Sie fuhren in einem Mustang bei Sonnenaufgang über die Golden Gate Bridge und Christian spielte ein Lied auf seiner Mundharmonika.

„Das sind die Momente, an die du dich für den Rest deines Lebens erinnern kannst. Versucht, diese Momente zu finden. Das ist es, was ich diesen Menschen sagen kann.“

Wer sich für das Thema Behinderung im Golfsport interessiert, der findet ausführliche Informationen zu allen damit verbundenen Aspekten auf der Homepage der European Disabled Golf Association (EDGA).

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