Neuer Ansatz gegen ALS war bereits erfolgreich im Labor. In Dresden wird nun eine Magnetpuls-Prototyp-Therapieanlage gebaut – Foto: © Adobe Stock/ Gorodenkoff
Motoneuronen sind spezielle Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark, die Reize weiterleiten, damit wir uns bewegen können. Bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) sind diese Nervenzellen stark geschädigt, so dass sie keine Signale mehr an die Muskeln senden können. Fortschreitende Lähmungen sind die Folge, die auch das Sprechen und Schlucken betreffen.
Bisher gibt es keine Aussicht auf Heilung. Die Betroffenen versterben meist innerhalb nur weniger Jahre. Da Medikamente das Fortschreiten der Erkrankung nicht stoppen können, verfolgen Wissenschaftler aus Dresden nun einen völlig neuen Ansatz: Sie wollen mit Magnetfeldpulsen die Motoneuronen reaktivieren.
Auf die Idee kamen der Physiker Dr. Thomas Herrmannsdörfer vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und der Mediziner Prof. Richard Funk von der TU Dresden. Die Forscher machen sich die Tatsache zu Nutze, dass alle Zellen eine elektrische Ladung besitzen und miteinander kommunizieren. „Weil wir wissen, dass elektrische Ströme fließen, wissen wir auch, dass es möglich sein muss, gezielt einzugreifen“, erklärt Richard Funk. „Und so wurde die Idee geboren, elektromagnetisch einzugreifen.“
Das Forscherteam hat das Verfahren bereits an Zellkulturen in der Petrischale getestet. Die Zellen stammten aus Hautproben von ALS-Patienten sowie von Gesunden, die im Labor zu Motoneuronen umprogrammiert wurden. In Petrischalen wurden die präparierten Zellen schließlich unterschiedlichen Magnetfeldern ausgesetzt. Die Ergebnisse sind sehr vielversprechen: Zellen von ALS-Patienten konnten durch die elektromagnetische Stimulation auf das Niveau der Zellen von Gesunden gesteigert werden, berichten die Wissenschaftler. Die Zellen von Gesunden veränderten sich dagegen nicht.
„Wenn diese Aktivierung nicht nur mit Zellen in der Petrischale, sondern auch am lebenden Menschen funktionieren würde, wäre tatsächlich eine Verbesserung der Lebensqualität für ALS-Patient*innen denkbar, sagt Funk.
Nach ihren ersten Erfolgen im Labor bauen die beiden Wissenschaftler nun am HZDR eine Magnetpuls-Prototyp-Therapieanlage auf. Damit soll der neue Ansatz unter realitätsnahen Bedingungen getestet werden. Der Freistaat Sachsen und die Europäischen Union fördern das Projekt NeuroMaX mit rund 1,1 Millionen Euro. Ziel ist es, einen Prototyp zu entwickeln und in einem weiteren Schritt Studien durchzuführen, die letztlich eine Zulassung für den Patientenbetrieb ermöglichen.
Damit stehe erstmalig die Möglichkeit im Raum, dass eine Regeneration krankheitsbedingter Nervenschäden beim Menschen möglich werden könnte, sagen die Wissenschaftler. „Die bisherigen Erkenntnisse lassen hoffen, dass vielleicht auch über ALS hinaus andere neurodegenerative Erkrankungen auf die Therapie mit gepulsten Magnetfeldern ansprechen.“ Bis zum klinischen Einsatz kann es allerdings noch Jahre dauern.
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